Glossar

 

Frontogenese / Frontolyse
 

Definition:

Der Prozess der Entstehung und/oder Verstärkung einer Frontalzone wird als Frontogenese bezeichnet. Umgekehrt redet man von Frontolyse bei Abbau bzw. Abschwächung einer Front. Demnach wird auch die Erhaltung einer Front gegenüber frontolytisch wirksamen Faktoren als Frontogenese bezeichnet.

Allgemeine Betrachtungen:

Per Definition bildet eine Frontalzone auch immer ein Gebiet mit großem horizontalen Temperaturgradienten, so dass die Begriffe der Frontogenese/Frontolyse unmittelbar mit Änderungen dieses horizontalen Temperaturgradienten zusammenhängen. Bei Frontogenese wird der Temperaturgradient verstärkt oder konstant hoch gehalten, bei Frontolyse entsprechend abgeschwächt. Da im Feld der pseudopotentiellen Temperatur durch die Berücksichtigung der Feuchte besonders gut ausgeprägte Gradienten zu beobachten sind, erscheint es nun sinnvoll Frontogenese/Frontolyse mit der individuellen zeitlichen Änderung des (isobaren) Gradienten der pseudopotentiellen Temperatur in Verbindung zu bringen. Dieser Zusammenhang wird daher auch frontogenetische Funktion genannt, welche bei einem positivem Resultat auf Frontogenese hinweist. Ein zeitlich abnehmender Gradient der pseudopotentiellen Temperatur bewirkt dagegen Frontolyse.
Da es sich um die individuelle zeitliche Änderung handelt, spielen sowohl horizontale als auch vertikale Advektionen eine Rolle. Zudem ist der diabatische Einfluss (lokalzeitliche Änderung) nicht unerheblich bei Frontogenese. Es ergeben sich also insgesamt drei frontogenetische Antriebsterme, die es sinnvoll zu unterteilen gilt. Dabei scheint zunächst eine allgemeine Erklärung der Antriebsterme als sinnvoll mit einer späteren Aufteilung bezüglich oberer und unterer Frontogenese.


Frontogenetische Antriebsterme:


1. Frontogenese durch Eigenschaften des horizontalen Windfelds

Der erste und wohl bekannteste Antriebsterm für Frontogenese ist das Vorhandensein eines Deformationsfeldes. Deformationen enthalten die wichtigen kinematischen Kenngrößen Divergenz, Streckung und Scherung. Dabei lässt sich zeigen, dass insbesondere die horizontale Vergenz der isothermensenkrechten Windkomponente frontogenetisch fungiert. Durch die Notwendigkeit von Isothermen in einer isobaren Niveaufläche handelt es sich um einen baroklinen Term. Bei Konvergenz der isothermensenkrechten Windkomponente resultiert Frontogenese, eine Divergenz bedingt Frontolyse. Am einfachsten veranschaulichen lässt sich dieser Aspekt bei der Betrachtung eines einfachen Viererdruckfeldes und einem überlagerten Isothermenfeld wie in folgender Abbildung.



Bekanntlich lassen sich horizontale Vergenzen nur sehr schwer veranschaulichen aufgrund der stets kompensatorisch wirkenden Richtungs- und Geschwindigkeitsvergenzen. Daher ist es zunächst sinnvoll sich ein reines Streckungsdeformationsfeld zu betrachten. Auf den obigen Abbildungen fungiert dabei die Abszisse als Dilatationsachse (Streckungsachse) und die Ordinate als Stauchungsachse. Aus der relativen Lage des Isothermenfeldes zur Dilatationsachse lässt sich nun eine einfache Grundregel ableiten. Ist der Winkel kleiner als 45°, so erfolgt in einem Streckungsdeformationsfeld anschaulich Frontogenese, da der horizontale Temperaturgradient gestaucht, also vergrößert wird. Bei Winkeln über 45° herrscht entsprechend Frontolyse, da nun der horizontale Temperaturgradient maximaler Streckung und damit Abschwächung ausgesetzt ist. Der Schnittwinkel von 45° bildet somit den kritischen Grenzfall, wo weder Frontogenese noch Frontolyse stattfinden kann und sich der pseudopotentielle Temperaturgradient zeitlich nicht ändert.
Auf der linken Seite müssen die isothermensenkrechten Windkomponenten also konvergent in Richtung Abszisse sein, da hier Frontogenese vorliegt. Den umgekehrten Fall der Frontolyse mit divergenten isothermensenkrechten Winden zeigt demnach die Abbildung ganz rechts. Der indifferente Fall wird durch die mittige Abbildung wiedergegeben. Hier kompensieren sich Richtungs- und Geschwindigskeitsvergenzen jeweils exakt.

Neben Streckungen sind es wie eingangs erwähnt auch die Scherungen, die für Deformationen des Strömungsfeldes sorgen und somit frontogenetisch in Aktion treten können. Dazu dürfen die Isothermen nicht parallel zur zyklonal gescherten Strömung verlaufen. Somit sind es vor allem die eher meridional ausgerichteten Frontalzonen, die aufgrund der Scherung frontogenetisch angetrieben werden können.



Ein sehr anschauliches Beispiel für die frontogenetische Wirkung einer zyklonalen Scherung zeigt diese Abbildung. Das schwarz gekennzeichnete LAGRANGE´sche Luftpaket befindet sich auf der zyklonalen Scherungsseite des Jetstreams (i). Durch die Scherung (Windgeschwindigkeit im Bereich der Jetachse am höchsten) wird zum einen das LAGRANGE´sche Luftpaket unter Beibehaltung seines Volumens deformiert (ii). Zum anderen wird natürlich auch das Isothermenfeld dahingehend deformiert, dass der Abstand zwischen warmer und kalter Luft geringer wird und somit eine obere Frontogenese stattfindet.

Wird ein reines Deformationsfeld noch von einer Translation überlagert, so ergeben sich Konfluenzen und Diffluenzen, die ebenfalls je nach Lage der Isothermen Frontogenese bedingen.Liegen die Isothermen quasi-strömungsparallel, so bedingt dies bei einer Konfluenz Frontogenese (Abbildung links unten) und bei Diffluenz (rechts unten) entsprechend Frontolyse.


Quelle: www.wetter3.de

Sind die Isothermen dagegen normal zur Strömungsrichtung angeordnet, so ergeben sich die umgekehrten Verhältnisse einer Frontogenese bei Diffluenz (links oben) und Frontolyse bei Konfluenz (links oben).

2. Frontogenese durch Vertikalbewegungen

Ein zweiter Antriebsterm für Frontogenese ergibt sich über Vertikalbewegungen. Wird die warme Luft in Relation zur kalten Luft gehoben, so wirkt dies frontogenetisch. Auch die Umkehrung gilt, denn bei Frontogenese kommt es zu einer Hebung der Warmluft und zu einem Absinken der Kaltluft. Es stellt sich demnach eine thermisch direkte Zirkulation ein.


Quelle: www.wetter3.de

Da Vertikalbewegungen direkt proportional zur Vergenz des Q-Vektors sind, erscheint es an dieser Stelle sinnvoll die Normalkomponente des Q-Vektors zu untersuchen, da diese die betraglichen Änderungen des horizontalen Gradienten der (pseudo)potentiellen Temperatur beschreibt. Die Normalkomponente des Q-Vektors ist dabei umso größer, je stärker der Temperaturgradient. Demnach resultiert bei Frontogenese ein divergenter Q-Vektor und damit Absinken in der Kaltluft und ein konvergenter Q-Vektor mit entsprechendem Aufsteigen in der Warmluft.


Die komplett inversen Vorgänge sind dagegen charakteristisch für Frontolyse. Eine thermisch indirekte Zirkulation mit absinker Warmluft (divergente Q-Vektoren) und aufsteigender Kaltluft (konvergente Q-Vektoren) ist zu beoabachten.


Quelle: www.wetter3.de

Strömungssenkrechte Isothermen bedingen eine maximale Baroklinität. Die daraus resultierende horizontale Solenoidalzirkulation würde massiv Vorticity produzieren bis sich ein eine quasiparallele Situation ergibt und der solenoidale Antrieb erlischt. Im zuerst beschriebenen Fall der Frontogenese im Bild links oben resultiert aus der Lage von Isohypsen und Isothermen eine antizyklonale Solenoidalzirkulation. Im abgebildeten frontolytischen Beispiel von stömungssenkrechten Isothermen wird durch die horizontale Solenoidalzirkulation zyklonale Vorticity erzeugt. Würde man die vorgegebene Kalt- und Warmluftverteilung umkehren, so würde natürlich auch die entsprechende Solenoidalzirkulation die inverse Zirkulationsrichtung aufweisen. Allerdings sind die Darstellungen mit strömungssenkrechten Isentropen natürlich sehr unrealistisch, da atmosphärische Bewegungen in guter Näherung im allgemeinen eher parallel zu den Isentropen verlaufen. Zudem sorgt die Solenoidalzirkulation ohnehin dafür, dass der Winkel zwischen Stromlinien und Isentropen schnell verringert wird und sich eine quasiparallele Situation einstellt.
Den weitaus realistischeren atmosphären Bedingungen entsprechen daher die jeweils unteren Abbildungen mit quasiparallelen Isothermen, da sie eine höhere dynamische Stabilität aufweisen. Solche Konfluenz- und Diffluenzgebiete werden im Prinzip bei jedem Jetstreak beobachtet. Der geostrophische Wind erfährt in Jetstreaks eine erhebliche ageostrophische Ablenkung, so dass sich markante horizontale Vergenzen ausbilden können, wie in der Skizze dargestellt. Diese horizontalen Strömungsvergenzen ausgelöst durch ageostrophische Masseflüsse bedingen nun aus Kontinuitätsgründen Vertikalbewegungen (Divergenz = Aufsteigen, Konvergenz=Absinken), welche exakt mit den zuvor getroffenen Überlegungen mit der Vergenz der Normalkomponente des Q-Vektors übereinstimmen.

Ebenso zeigt die untere Abbildung sehr schön die thermisch direkte Zirkulation auf der frontogenetisch wirksamen konfluenten Einströmseite des Jetstreaks (mit aufsteigender Warmluft und absinkender Kaltluft) und die thermisch indirekte Vertikalzirkulation auf der frontolytischen diffluenten Ausströmseite.
Somit wird verständlich, warum die Entstehung einer Frontenzyklone, vor allem das so entscheidende Stadium der instabilen Frontenwelle, bevorzugt auf der rechten konfluenten Einströmseite eines Jetstreaks beobachtet wird.


3. Frontogenese durch diabatische Prozesse

Horizontal unterschiedliche diabatische Erwärmung fungiert als dritter frontogenetischer Antriebsterm. Wird die ohnehin wärmere Luft durch diabatische Prozesse zusätzlich erwärmt und/oder die kältere Luft zusätzlich abgekühlt, dann unterstützt dies Frontogenese. Die inversen Vorgänge einer Abkühlung der Warmluft und/oder Erwärmung der Kaltluft sind dagegen frontolytische Faktoren. Vor allem bei engem Aneinanderliegen von schneebedeckten Kontinenten (hohe Albedo) und relativ milden Ozeanen ist dieser barokline frontogenetische Antrieb zu beobachten. Bekanntestes Beispiel ist die winterliche Arktikfront.
Darüber hinaus wirkt auch die Freisetzung latenter Wärme bei Vertikalbewegung frontogenetisch. Die in der Warmluft enthaltende Feuchtigkeit kann bei Aufsteigen auskondensieren und dabei die latente Wärme freisetzen, welche dafür sorgt, dass sich die aufsteigende Luft nicht so schnell abkühlt. Somit wird der horizontale Temperaturgradient nicht so schnell abgebaut.

Resultierende barokline ageostrophische Vertikalzirkulation:

Wie bereits beim zweiten Antriebsterm diskutiert, resultiert aus den Vertikalbewegungen in Verbindung mit den ageostrophischen Winden eine Vertikalzirkulation. Diese ist im frontogenetischen Fall, bei einem Konfluenzgebiet mit quasiparallelen Isothermen, thermisch direkter Natur. Im Diffluenzgebiet bei Frontolyse ergibt sich eine thermisch indirekte Vertikalzirkulation mit absinkender Warmluft und aufsteigender Kaltluft.
Insgesamt sorgt die barokline Querzirkulation dafür, dass auch während frontogenetischen und frontolytischen Prozessen das hydrostatische und geostrophische Gleichgewicht der Atmosphäre erhalten bleibt. Bei Frontogenese wird der horizontale Temperaturgradient zunächst einmal verstärkt. Dies geschieht über eine (ageostrophisch induzierte) konvergente Höhenströmung sowie Bodenkonvergenz infolge Bodenreibung. Über diese Konvergenz wird natürlich Vorticity erzeugt (Vorticitygleichung), so dass die Frontalzone auch tatsächlich das Gebiet mit den höchsten absoluten Vorticitywerten darstellt. Gleichzeitig wirkt die Atmosphäre durch die instantan einsetzende Vertikalbewegungen dieser Verstärkung des Temperaturgradienten entgegen, denn sowohl durch die isentrope Erwärmung der absinkenden Kaltluft, als auch durch isentrope Abkühlung der aufsteigenden Warmluft wird der horizontale Temperaturgradient jeweils abgeschwächt. Dies ist also eine Art atmosphärischer Regulierungsprozess, der dafür sorgt, dass die Frontogenese nicht exponentiell anwächst und die Frontalzone insgesamt in einem stabilen Gleichgewicht bleibt.


Quelle: www.wetter3.de

Den physikalisch exakt gleichen regulierenden Effekt kann man auch bei Frontolyse beobachten. Hier wird über horizontale Divergenzen zunächst der horizontale Temperaturgradient und damit auch die Vorticity in der Frontalzone abgeschwächt. Durch die thermisch indirekte Vertikalzirkulation wird nun aber durch aufsteigende Kaltluft (isentrope Abkühlung) und absinkende Warmluft (isentrope Erwärmung) der horizontale Temperaturgradient wieder generiert, so dass auch hier die Frontalzone insgesamt ein stabiles Gleichgewicht beschreibt und nicht sofort aufgelöst werden kann.

Im divergenzfreien Niveau (ca. 500 hPa) sind Vertikalgeschwindigkeiten in der Regel am größten. Daher ist dort die Frontalzone oftmals nur sehr schwach ausgeprägt.


Obere und untere Frontogenese:

Statt stur nach den Antriebstermen, lässt sich Frontogenese auch über die Wirkungsweise in der unteren sowie in der oberen Troposphäre betrachten.
Die obere Frontogenese ist dabei immer mit der Erzeugung bzw. Verlagerung von Jetstreams verbunden. Neben den beschriebenen Einflüssen durch horizontal deformierte Windfelder, spielt bei der oberen Frontogenese noch ein weiterer bisher nicht erwähnter Punkt eine wichtige Rolle. Durch den oberen polwärtigen Ast der HADLEY-Zirkulation wird nämlich ständig höherer äquatorialer Drehimpuls in höhere Breiten transportiert. Vor allem der Subtropenjet im Absinkbereich der HADLEY-Zelle wird dadurch ständig generiert (Jetogenese). Demnach erfolgt also durch die dadurch stärkere Konvergenz eine obere Frontogenese im Bereich der Subtropen, die vor allem im Winter durch den größeren isobaren Temperaturgradienten eine sehr gut sichtbare Subtropenfront entstehen lässt.
Doch auch in den mittleren Breiten spielt die obere Frontogenese eine sehr wichtige Rolle. Bei positiv geneigten Langewellentrögen kann auf der Vorderseite ebenfalls ein Drehimpulstransport und damit eine Jetogenese angeregt werden. Die damit einhergehende Frontogenese unterstützt nun die wirksamen zyklogenetischen Prozesse in der Form, dass primäre Wettersysteme, also Frontenzyklonen entstehen können.

Die untere Frontogenese basiert auf allen oben beschriebenen Antriebsmechanismen. Zusätzlich fungiert auch noch die Reibung in der PGS frontogenetisch über die erzeugte Konvergenz. Dennoch reicht untere Frontogenese allein ohne obere Frontogenese nur dazu aus, sogenannte sekundäre Fronten zu erzeugen bzw. aufrecht zu erhalten. Diese sind meist kurzlebig mit Lebensdauern unter 48h und auf niedertroposphärische barokline Gebiete beschränkt.

Erst das effektive Zusammenwirken von oberer und unterer Frontogenese lässt mächtige hyperbarokline Frontalzonen entstehen, die sich über die gesamte Troposphäre erstrecken. Dies ist im Normalfall nur bei der Polarfront realisiert. Dagegen fehlt bei der Arktikfront die obere Frontogenese und bei der Subtropenfront wirken die bodennahen divergenten geotriptischen Winde stark frontolytisch, so dass hier nur obere Frontogenese aktiv sein kann.



© Marcus Boljahn

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